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Evangelium, Predigt und Fürbittengebet von Prädikant Hans-Joachim Fentz

 

 

Evangelium

Das Evangelium für den heutigen Sonntag, das auch gleichzeitig der Predigttext für heute ist, steht im Lukas-Evangelium im 9. Kapitel, Verse 57 – 62:

Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

 

Predigt

„Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“

Diesen Ausspruch kennen sie bestimmt noch. Erich Honecker hat ihn am 7. Oktober 1989 beim Festakt zum 40. Jahrestag der DDR gesprochen, kurz bevor die DDR aufhörte zu existieren. Dieser Ausspruch fiel mir als erstes ein, als ich den Predigttext las: es ist die Passage aus dem Lukasevangelium, die sie gerade als Evangelium gelesen haben. In diesen Ausspruch kann man zusammenfassen, was Jesus denjenigen zuruft, die ihm nachfolgen wollen:

Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Und:

Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

Und:

Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Ganz schön harter Tobak ist dieser Anspruch Jesu für alle, die ihm nachfolgen wollen.

Was heißt das also eigentlich: Leben in der Nachfolge Jesu? Leben in der Nachfolge Jesu ist scheinbar kein Spaziergang. Nachfolge ist eine Lebensaufgabe für uns alle, die wir uns Christen nennen. Und ganz gewiss immer wieder eine große, tägliche Herausforderung.

Was Jesus uns da zumutet, ist ja ziemlich ungeheuerlich. Er mutet uns nichts weniger zu als das, was ich mit den Begriffen Heimatlosigkeit, Pietätlosigkeit und Beziehungslosigkeit umschreiben möchte.

Aber: Wer kann so leben?

Ohne Heimat, ohne einen Ort, von dem er sagen kann: „hier bin ich zuhause. Hier gehöre ich hin“? Wer von uns kann leben ohne Pietät, ohne dass man den Toten die letzte Ehre erweist, gar dem eigenen Vater? Wer möchte so leben, dass der letzte Dienst, den man an einem Menschen tun kann, diesem nicht mehr erwiesen wird? Und wer von uns kann und möchte leben ohne Beziehungen, ohne eingebunden zu sein in ein soziales Netz, in das Netz von Familie und Freunden; wer möchte leben ohne menschliche Nähe und Wärme?

Er mutet uns viel zu, dieser Jesus. Er ruft in die Nachfolge und redet von Heimatlosigkeit, von Pietätlosigkeit, von Beziehungslosigkeit. Was fangen wir nun mit diesem Jesuswort an, mit diesem radikalen Ruf in die Nachfolge?

Vielleicht verstehen wir dieses Jesuswort besser anhand von drei Begriffen, die das „Wie“ dieser Nachfolge definieren: es sind drei Gegenbegriffe zu Heimatlosigkeit, Pietätlosigkeit und Beziehungslosigkeit. Es ist der Ruf zur Freiheit, der Ruf ins Leben und der Ruf in die Zukunft.

 

Zuerst: Der Ruf zur Freiheit:

„Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“

Vielleicht können wir diesem kräftigen Bildwort etwas abgewinnen, wenn wir es nicht nur verstehen als ein Zurücklassen der Heimat; all dessen was uns lieb und wert ist. Wenngleich es auch die Erfahrung ist von vielen Menschen, die selbst auf der Flucht waren am Ende des letzten Krieges oder die in den letzten Jahren als Flüchtlinge zu uns gekommen sind und noch kommen. Das Wort hat auch etwas mit Heimatlosigkeit zu tun, aber man kann es auch verstehen als einen Ruf in die Freiheit. Der Weg in die Freiheit reißt oft heraus aus der häuslichen Geborgenheit und der Sicherheit der gewohnten vier Wände – wir alle haben diese Erfahrung schon gemacht. Aber am Ende wiegt die Freiheit schwerer als alles Zurückgelassene. Es ist gut, wenn wir uns das immer wieder vor Augen führen.

Dieses Jesuswort heißt aber auch, dass wir uns nicht beherrschen lassen um die Sorge unserer Zukunft:

Es hilft nichts, sich zu sorgen, ob und wie lange mir die Gesundheit erhalten bleiben wird – Corona hin oder her…

Es hilft nichts, sich zu sorgen, ob unsere Wirtschaft weiter brummt – Corona hin oder her…

Es hilft nichts, sich zu sorgen und sich den Kopf zu zermartern, ob wir unseren Lebensstandard in dieser Form behalten werden.

Das Sorgen an sich hilft nichts. Im Gegenteil: Es beherrscht uns und nimmt uns Energien, die wir für anderes besser brauchen können. Sorge und Angst sind kein guter Ratgeber – auch in dieser beängstigenden Ausnahmesituation, in der wir uns gerade befinden und die wohl noch Keiner und Keine von uns so erlebt hat. Für Christen gilt, was Jesus uns sagt: Sorgt euch nicht um euer Leben. Vertraut darauf, dass Gott euch jeden Tag das gibt, was ihr zum Leben braucht. Vertraut darauf, dass er bei euch und mit euch und um euch ist, dass er euch begleitet in jeder Sekunde eures Lebens.

 

Als zweites: Der Ruf ins Leben:

„Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!“

Es mutet grausam an, wenn Jesus dem, der ihm nachfolgen will, nicht zugesteht, den eigenen Vater zu begraben.  Doch es geht hier nur vordergründig um eine Bestattung. Hintergründig sagt Jesus etwas über den Tod und das Leben an sich aus. Jesus will, dass wir uns in seiner Nachfolge dem Leben zuwenden und nicht dem Tod. Er will, dass wir uns verabschieden von einer „Kultur des Todes“.

Einerseits ist es ja so, dass wir uns in unserer Gesellschaft, in unseren Familien kaum mehr über den Tod unterhalten – da ist er oft ein Tabuthema. Andererseits vergeht kein Tag, an dem wir in den Medien nicht konfrontiert werden mit den grausamen Bildern des Todes. Und für Kinder und Jugendliche ist der Tod durch viele Computerspiele sogar schon zum virtuellen Spiel geworden. Der Tod ist überall präsent, nur nicht in unserer persönlichen Realität.

Jesus sagt: davon müsst ihr wegkommen: Lasst die Toten ihre Toten begraben, ihr aber sollt euch dem Leben zuwenden! Ihr sollt Leben schützen. Das ist unsere Aufgabe als Christen. Der frühere Tübinger Theologe Eberhard Jüngel formuliert das so: „Es gilt, Abschied vom Tod zu nehmen – und nicht Abschied vom Leben. Wer Jesus folgt, ist ganz und gar für das Leben da. Und: Arbeit für das Gottesreich ist Abschied vom Tode.“

 

Und zuletzt: Der Ruf in die Zukunft:

„Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“

Zukunft gibt es nur, wenn wir nach vorne blicken, wenn wir die Vergangenheit zurücklassen (und die gewonnenen Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, doch zumindest in unserem Handgepäck dabeihaben und nicht vergessen…).

Das der Blick geht nach vorne. Und wir Christen, die wir gerade mitten in der Passionszeit stehen, blicken nach vorne auf einen Herrn, der ins Leiden und in den Tod ging. Und wir bekennen, dass er das für uns getan hat zur Vergebung unserer Sünden: Jesus hat unsere oft so schuldhaft verstrickte Vergangenheit, hat unsere Verstrickung in den Tod auf sich genommen und sie für uns getragen, damit wir den Blick nach vorne tun können, damit uns Zukunft und Leben eröffnet ist.

Schuld und Versagen werden nicht unter den Teppich gekehrt; aber: Schuld und Versagen – so ruft uns Jesus zu – dürft ihr bei mir, dem Christus Gottes ablegen, ich trage sie ab. Und sein Appell an mich, an sie: „Du aber verkündige das Reich Gottes.“

Freiheit, Leben, Zukunft – das verspricht uns Jesus, wenn wir uns auf ein Leben mit ihm einlassen, wenn wir ihm nachfolgen. Und: dass wir uns als Christen in seiner Nachfolge dafür einsetzen, dass das allen Menschen gilt: Freiheit, Leben und Zukunft. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Fürbittengebet

Gott des Lebens, Jesus Christus, du rufst uns, und wir wollen dir nachfolgen.
Du rufst uns, aber wir sind unsicher:
Ungewissheit und Angst erfüllen oft unsere Gedanken.

Gott des Lebens:
der Corona-Virus bedroht die Welt, und wir sind hilflos.
Wir wissen, dass wir uns nicht wirklich schützen können.
Wir vertrauen uns und unsere Lieben deiner Fürsorge an.
Wir danken dir für alle, die in Krankenhäusern, Laboren und Ämtern arbeiten und sich um das Wohl aller mühen.
Wir vertrauen sie dir an: behüte und leite sie.

Gott der Freiheit:
der Krieg in Syrien endet nicht.
Wir hören von den Flüchtlingen, die der Gewalt entkommen wollen.
Wir hören von den Kindern in Lagern und auf der Flucht, die zum Spielball der Mächtigen werden:
behüte und bewahre sie.
Wir wissen, dass unser Mitleid allein nicht genügt.
Wir hoffen auf das Ende der Gewalt.
Leite die Mächtigen.

Du Gott der Zukunft:
Hilf deiner Kirche; hilf unserer Gemeinde:
mache den Mut größer als die Furcht, tröste in Angst und Sorge.
begeistere deine Kirche, begeistere unsere Gemeinde:
erfülle uns mit Liebe, damit wir deine Liebe weitergeben.
Wir bitten in dieser ungewissen Zeit für deine Johann-Sebastian-Bach-Gemeinde:
schenke uns Zusammenhalt und Solidarität, denn wir sind verbunden durch das Band des Glaubens.

Du rufst uns, guter Gott, und wir danken dir:
Für die Freiheit, für das Leben für die Zukunft:
Für ein Leben in der Nachfolge,
heute und alle Tage.
Amen.

 

Lass mich dein sein und bleiben (EG 157)

Lass mich Dein sein und bleiben, Du treuer Gott und Herr;
von Dir lass mich nichts treiben, halt mich bei Deiner Lehr.
Herr, lass mich nur nicht wanken, gib mir Beständigkeit,
dafür will ich Dir danken in alle Ewigkeit.