Psalm, Lieder, Gebete und Predigt von Pfarrerin Brigitte Schöne
Pfr. Jochen Teufel, Ulm
Biblischer Spruch für die Woche:
„Der Menschensohn ist nicht gekommen,
dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene
und gebe sein Leben als Lösegeld für viele."
Matthäus 20, 28
Begrüßung
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Gemeinde,
über jeder neu anfangenden Woche steht ein biblischer Vers. Heute ist es ein Vers aus dem Matthäusevangelium. Sein Inhalt wird uns den ganzen Gottesdienst über beschäftigen. Jesus sagt:
„Der Menschensohn (Jesus meint sich hier selbst) ist nicht gekommen,
dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene
und gebe sein Leben als Lösegeld für viele." (Matthäus 20,28)
Der Name dieses heutigen Sonntages lautet „Judika“. Das kommt von „Judika me“ – und so beginnt der Psalm in lateinischer Sprache.
Übersetzt heißt das: Schaffe mir Recht.
Recht schaffen, aber wofür?
Die Jünger Jesu streiten darum, wer direkt neben Jesus sitzen darf, rechts oder links neben ihm. So wie an einer Festtafel, wo festgelegt ist, wer neben der Hauptperson sitzt.
In ihren Augen ist es so: Wer da sitzt, ist wichtig.
Einige der Jünger glauben, sie sind wichtig und haben also das Recht dazu. Jesus macht ihnen klar, dass sie da etwas falsch verstehen. Er antwortet ihnen: Wichtig bist du nicht, weil du das sitzt. Wichtig bist du, weil und wenn du für die anderen da bist. Jesus nennt es „Dienst“. Es geht um das einander dienen.
Menschen in wichtiger Position können ein Segen für die Gesellschaft sein. Herrschende ein Segen für die Völker. Oder aber auch ein Fluch. Mächtige zerstören immer wieder auch das Leben von Menschen durch Gewalt und Krieg. Denken wir heute während des Gottesdienstes an die Menschen, die verzweifeln unter den Folgen von Gewalt und Krieg. Legen wir sie Gott besonders an Herz, die Menschen in der Ukraine, im Nahen Osten, im Sudan…
So segne Gott unsere Nähe.
Lied
Gott des Himmels und der Erde, Evangelisches Gesangbuch Nr. 445, 1-5
1) Gott des Himmels und der Erden,
Vater, Sohn und Heilger Geist,
der es Tag und Nacht lässt werden,
Sonn und Mond uns scheinen heißt,
dessen starke Hand die Welt
und was drinnen ist, erhält:
2) Gott, ich danke dir von Herzen,
dass du mich in dieser Nacht vor Gefahr,
Angst, Not und Schmerzen
hast behütet und bewacht,
dass des bösen Feindes List
mein nicht mächtig worden ist.
3) Lass die Nacht auch meiner Sünden
jetzt mit dieser Nacht vergehn;
o Herr Jesu, lass mich finden
deine Wunden offen stehn,
da alleine Hilf und Rat
ist für meine Missetat!
4) Hilf, dass ich mit diesem Morgen
geistlich auferstehen mag
und für meine Seele sorgen,
dass, wenn nun dein großer Tag
uns erscheint und dein Gericht,
ich davor erschrecke nicht.
5) Führe mich, o Herr, und leite
meinen Gang nach deinem Wort;
sei und bleibe du auch heute
mein Beschützer und mein Hort.
Nirgends als bei dir allein
kann ich recht bewahret sein.
Psalm 43
Schaffe mir Recht, Gott,
und führe meine Sache wider das treulose Volk
und errette mich von den falschen und bösen Leuten!
Denn du bist der Gott meiner Stärke:
Warum hast du mich verstoßen?
Warum muss ich so traurig gehen,
wenn mein Feind mich drängt?
Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten
und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung,
dass ich hineingehe zum Altar Gottes, /
zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist,
und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.
Was betrübst du dich, meine Seele,
und bist so unruhig in mir?
Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken,
dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.
Gebet
Guter Gott, Du siehst das Elend dieser Woche,
die Unversöhnlichkeit auf Erden.
Menschen wird Gewalt angetan,
Herrscher sehen vor allem sich selbst und missbrauchen ihre Macht.
Gott, Du siehst unsere Sorge.
Du siehst auch unsere Ohnmacht und unsere Lähmung.
Wir wissen: Wir müssen in Bewegung bleiben.
Wir wissen: Wir können manches tun.
Gegen Pessimismus und Lethargie.
Gott, nimm uns Lähmung und das Gefühl der Ohnmacht und
hilf uns heraus. Du willst, dass wir leben!
Gott, erbarme dich. Christus erbarme dich.
Kyrie eleison - Herr, erbarme dich.
Christe eleison - Christe, erbarme dich
Zuspruch
Wir wissen: Gott steht zu uns.
Seine Hand lässt er nicht ab von uns.
Denn so spricht Gott:
Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen,
aber meine Gnade soll nicht von dir weichen,
und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen. (Jesaja 54,10)
Gebet
Gott, wir bitten dich,
öffne und stärke in uns den Blick füreinander.
Gib uns den Willen, tätig zu sein
für das Wohl der Menschen neben uns - egal wer sie sind.
Jesus nennt es „dienen“.
Damit dienen wir auch dir und der Welt, wie du sie willst.
Schenke uns einen wachen Blick,
um zu erkennen, wo wir gebraucht werden.
Verleihe uns die Kraft, miteinander Lasten zu tragen,
durch Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Liebe Leserinnen und Leser,
Die Leidenszeit war für die Jünger eine schwere Herausforderung. Können sie durchkommen durch diese schwerste Zeit?
„Ja, das können wir!“ sagen die Jünger zu Jesus. Und gern würden sie dafür einmal geehrt werden. Jesus rückt ihr Denken zurecht: Durchkommen werdet ihr. Geehrt vielleicht auch. Doch steht den anderen Menschen helfend zur Seite. Dienst tun für den Nächsten, so wie Jesus selbst es bis zum Letzten vormachte.
Evangelium
aus Mk 10, 35-45
Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde? Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.
Lied
Das sollt ihr Jesu Jünger nie vergessen, Ev. Gesangbuch Nr. 221, 1-3
1) Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen:
wir sind, die wir von einem Brote essen,
aus einem Kelche trinken, alle Brüder
und Jesu Glieder.
2) Wenn wir wie Brüder bei einander wohnten,
Gebeugte stärkten und die Schwachen schonten,
dann würden wir den letzten heilgen Willen
des Herrn erfüllen.
3) Ach dazu müsse seine Lieb uns dringen!
Du wollest, Herr, dies große Werk vollbringen,
dass unter einem Hirten eine Herde
aus allen werde.
Predigt
Vor Gericht
Predigt zu Johannes 18,28-19,5
Liebe Gemeinde,
es ist Passionszeit. Schon in der 5. Woche leben wir in der Passionszeit.
Manche unter uns verzichten auf etwas, fasten.
Manche legen eine Stille-Zeit ein, fast jeden Tag.
Manche unter uns lesen begleitende Texte.
Manche leben mit einem schlechten Gewissen: Ich mache die Passionszeit gar nicht aktiv mit…
Manche leben einfach so weiter.
Wie auch immer wir durch diese Zeit gehen – ich glaube, wir scheuen uns alle, genau hin zu sehen, was da geschieht. Was den Jüngern und Jesus geschieht, was Jesus durchmachen muss. Es ist schlimm. Und es wird grausam und immer grausamer.
Wer mag das freiwillig sehen? Wir sehen es doch ohnehin jeden Tag, wenn wir uns nicht schnell genug abwenden: Das Grauen auf diesem Planeten. An Menschen vollzogen. Von Menschen geschaffen…
Heute wird es uns aber nicht erspart, das „Auf Jesus schauen“.
Der biblische Text, über den uns aufgegeben wird, nachzudenken, stellt in aller Deutlichkeit dar, was da geschehen ist, damals in Jerusalem, auf dem Weg hin zu Karfreitag.
Ich lese uns nun, wie der Evangelist Johannes das Geschehen beschreibt:
Johannes 18,28-19,5
Da führten sie Jesus von Kaiphas vor das Prätorium;
es war aber früh am Morgen.
Und sie gingen nicht hinein in das Prätorium, damit sie nicht unrein würden, sondern das Passamahl essen könnten.
Da kam Pilatus zu ihnen heraus und sprach: Was für eine Klage bringt ihr vor gegen diesen Menschen?
Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet.
Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz.
Da sprachen die Juden zu ihm: Es ist uns nicht erlaubt, jemanden zu töten.
So sollte das Wort Jesu erfüllt werden, das er gesagt hatte, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.
Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König?
Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben dir’s andere über mich gesagt?
Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan?
Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier.
Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König?
Jesus antwortete: Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.
Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?
Und als er das gesagt hatte, ging er wieder hinaus zu den Juden und spricht zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.
Ihr habt aber die Gewohnheit, dass ich euch einen zum Passafest losgebe; wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe?
Da schrien sie wiederum: Nicht diesen, sondern Barabbas! Barabbas aber war ein Räuber.
Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln. Und die Soldaten flochten eine Krone aus Dornen und setzten sie auf sein Haupt und legten ihm ein Purpurgewand an und traten zu ihm und sprachen: Sei gegrüßt, König der Juden!, und schlugen ihm ins Gesicht.
Und Pilatus ging wieder hinaus und sprach zu ihnen: Seht, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde.
Da kam Jesus heraus und trug die Dornenkrone und das Purpurgewand. Und Pilatus spricht zu ihnen: Sehet, welch ein Mensch!
Gott segne an uns sein Wort. Amen.
I.
Ein Mensch steht vor Gericht. Es ist früh am Morgen. Der Angeklagte wurde die ganze Nacht verhört. Es ging nicht um die Wahrheit. Es ging darum, Schuld zu finden. Man wirft ihm Amtsanmaßung vor, Anstiftung zum Aufruhr gegen die religiösen Führer und gegen den Staat. Gotteslästerung. Infragestellung des Systems. Das muss aus der Welt geschafft werden. Der muss aus der Welt geschafft werden.
Sie bringen ihn zum obersten Richter. Nur dieser, Vertreter der staatlichen Gewalt, hat die Macht, ein Urteil über Kapitalverbrechen zu sprechen. Eine Verteidigung ist nicht vorgesehen. Der Richter ist befangen, durch Unkenntnis und Desinteresse.
Das Verhör wird fortgesetzt, aber es kommt nichts dabei heraus. Was soll die Schuld sein? Größenwahn? Herrschaftsphantasien? Der ist doch harmlos. Ein Wortverdreher, kein Volksverführer.
Aber die Ankläger sind nicht harmlos. Sie behaupten: Ein Aufruhr droht. Also wird der Prozess kurz: Noch ein Angebot zum Ausgleich – ein Ersatzopfer. Es wird abgelehnt, sie verlangen eine regelrechte Verurteilung.
Dann noch die übliche Folter, Schläge mit speziell präparierten Geißeln. Vielleicht sagt er noch etwas Substantielles, das sich gegen ihn verwenden lässt. Aber nichts. Schweigende Unschuld. Der Angeklagte wird noch einmal vorgeführt: Seht, ein Mensch! Also schnell jetzt. Bringt es zu Ende.
II.
Ein Jude steht vor Gericht. Jesus von Nazareth, Jeshua, Wanderprediger aus Galiläa. Angeklagt von anderen Juden, von der obersten Religionsbehörde. Religion hat Gewicht in dieser Zeit. Es geht um Wahrheit und Macht. Der Grund der Anklage lässt sich aus den überlieferten Texten kaum rekonstruieren: Missbrauch des Gottesnamens? Unruhestiftung im Tempel? Missachtung der Reinheitsgebote? Aber war das alles genug, um die Todesstrafe zu fordern? Kreuzige ihn – deshalb?
Der Prozess gegen den Juden Jesus aus Nazareth beginnt mit einem Streit über religiöse Fragen, über die Auslegung der Gebote der Thora. Aber geführt wird dieser Prozess bis zum Urteil vor einem römischen, weltlichen Gericht. Nur der Prokurator Pontius Pilatus darf ein Todesurteil fällen und vollstrecken. Und er tut es. Tut er es aus Unkenntnis, aus Dummheit oder Lust an der Gewalt, aus politischem Kalkül, zur Abschreckung anderer Aufrührer oder einfach, um diese Sache loszuwerden? Dieser Fall, dieses Urteil, wird ihn berühmt machen über den Untergang des römischen Reiches hinaus. Sein Name, über die Jahrhunderte hinweg bekannt durch das christliche Glaubensbekenntnis: Gelitten unter Pontius Pilatus. Gekreuzigt – auf Befehl dieses Prokurators.
Der Evangelist Johannes beschreibt die Gestalt des Pontius Pilatus wie weichgezeichnet: Einer, der Fragen stellt, die Wahrheit sucht. Einer, der sich bemüht, den schuldlosen Jesus von Nazareth doch noch freizugeben. Andere Quellen beschreiben einen hartherzigen, bestechlichen und grausamen Gewaltherrscher.
Was ist Wahrheit – die wichtige Frage im Gespräch zwischen Jesus und Pilatus. Sie kann schon mal im Blick auf diesen Richter gestellt werden? Was ist bei ihm wahr?
Mit diesem Prozess, mit diesen Zuschreibungen in den Berichten der Evangelien, beginnt eine Gewaltgeschichte, die bis heute anhält: „Die Juden“ – so heißt es im Johannesevangelium. Sie suchen nach Gründen für ein Todesurteil gegen Jesus. Sie fordern seine Kreuzigung. So schreibt es Johannes. Was ist Wahrheit?
Wahrheit ist auch: Mit diesem Prozess nimmt eine Katastrophe ihren Lauf, die Schuld um Schuld aufgehäuft hat über Jahrhunderte. Der Evangelist Johannes wollte die Gegnerschaft zwischen den Juden des Hohen Rates und dem Juden Jesus von Nazareth herausstellen. Ihren Irrtum gegen seine Wahrheit. Unsägliche Gewalt erwuchs aus dieser Geschichte. Die Schläge, die Jesus trafen, der qualvolle Tod am Kreuz – sie stehen auch für die Verfolgten, Gequälten, Gemordeten seines Volkes. Bis zum 7. Oktober 2023 und darüber hinaus weiter. Auch dies: Die Wahrheit dieser Geschichte voller Gewalt.
III.
Jesus steht vor Gericht - Gott steht vor Gericht.
Hat er das gewollt? Wollte er so dastehen vor aller Welt: entstellt, zerschunden, entwürdigt? Kann das Gott sein?
Das Wort wurde Fleisch – und nun hängt es ihm in Fetzen vom Rücken, Dornen drücken sich in dieses Fleisch, bis aufs Blut. Geboren von einer Frau, und nun nur noch Qual und Schmerz.
Das muss ein Missverständnis sein. Wäre dieser Gott, er wäre doch unverwundbar. Strahlend. Anbetungswürdig. Ein König aller Könige. Aber nicht ein Unschuldiger unter der Folter. Unerträglich ist dieser Anblick, auch ohne den Gedanken an Gott. Ein Mensch, der nur noch Schmerz ist. Seht ihn euch an.
Welchen Sinn soll das haben: Gott vor Gericht, ohne Verteidigung, ohne jede Macht. Angespuckt und geschlagen. Verwechselbar mit jedem Leidenden, mit jeder Geschlagenen. Er ist das Letzte – so endet dieser Prozess. Diesem Gott widerfährt, was allen gequälten, geschundenen Menschen widerfährt. Er macht sich austauschbar, verwechselbar. Das ist die Wahrheit Gottes, der sich vor Gericht ziehen lässt: Seht, welch ein Mensch!
IV.
Die Liebe steht vor Gericht.
Sie hätte dort nicht hingehen dürfen, ins Zentrum der Macht. Sie hätte still bleiben müssen, am Rand, nur für einige wenige sichtbar. Ein kleiner Kreis von Gleichgesinnten – hätte das nicht genügt? Es musste die Hauptstadt sein. Auf einem Esel durch das Stadttor, wie lächerlich.
Sie war die ganze Zeit dabei, beharrlich, direkt, ohne Scheu. Die Liebe war dabei, als er aus Wasser Wein machte und als er den Blinden heilte von seiner Blindheit. Sie war dabei, als er das Brot verteilte, als gäbe es keinen Mangel. Sie blickte verwundert auf, als er die Ehebrecherin freisprach. Sie lebte auf, als er den Lazarus aus dem Grab rief. Und sie beugte sich, als er seinen Freunden die Füße wusch.
Wahrheit und Liebe – die beiden können nicht ohne einander. Nun steht sie vor Gericht, die Liebe. Hat sie alles falsch gemacht? Hätte sie sich verstecken müssen, vorsichtiger sein? Sie scheint keine Angst zu haben vor den Schmerzen, vor dem Tod.
Was ist Wahrheit? Die Liebe antwortet nicht mit Worten auf diese Frage. Sie lässt sich vorführen und schlagen und umbringen. Es wird nichts nützen. Sie wird auch dabei sein, wenn er stirbt, qualvoll am Kreuz. Sie lässt sich begraben und kommt wieder ans Licht.
V.
Es bleibt die Frage: Wenn ich vor Gericht stehe, wer gibt mir recht? Vor dem Gericht der Schuld und der Wahrheit? Wer verteidigt mich und steht für mich ein?
Zum Abschluss lese ich uns Psalm 43 in anderen Worten - in einer Übertragung des Theologen Huub Oosterhuis:
„Bist du Gott, dann tu mir Recht.
Ja, das Lügen regiert weit und breit:
Hochstapler sind an der Macht.
Du warst mein Gott, meine Barke und meine Burg.
Darf ich nicht mehr hinein?
Darum bin ich so heruntergekommen,
gequält und erniedrigt.
Schicke zu mir
Licht gebende Füße,
dass sie mir vorangehen
dorthin, wo du bist.
Dass meine Seele sich nicht verkriecht.
Dass du
Mein Angesicht befreist.
Mich wägst und sagst ja.“1
Amen.
1 I Huub Oosterhuis, Psalmen, Freiburg u.a., 2014, S. 94.
Pfrn. Susanne Ehrhardt-Rein/Pfrn. Brigitte Schöne, Judika 2025
Und der Frieden Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. AMEN
Fürbitten und Vater unser
Pilatus sprach zu den Menschen, als er Jesus vor sie führte: Seht, welch ein Mensch!
Seht, welch ein Mensch!
Im Purpurgewand mit der Dornenkrone,
blutig geschlagen,
taumelnd,
allein vor der schreienden Menge.
- Menschgewordener Gott,
erbarme dich unser.
Seht, welch ein Mensch!
Die Menschen in den Städten und Landschaften der Ukraine - ducken sich,
während die Drohnen nahen,
Die Soldaten schreien.
Sie schreien in den Wind,
in den Lärm der Geschütze.
Was wissen sie noch von sich?
Menschgewordener Gott,
erbarme dich unser.
Seht, welch ein Mensch!
Die alte Frau, der alte Mann,
leicht wie ein Vogel,
als würde sie gleich ein Luftzug erfassen,
schauen auf und lächeln,
lächeln ins Leere.
Menschgewordener Gott,
erbarme dich unser.
Seht, welch ein Mensch!
Ohne etwas zu denken, hastet sie vorwärts, die Frau,
zwischen den Fronten im Sudan.
Geflüchtet, misshandelt, geschunden.
Ohne zu wissen, wohin.
Menschgewordener Gott,
erbarme dich unser.
Seht, welch ein Mensch!
Still in der Kirche,
tief atmend
sich nach dir, Gott, sehnend.
Und die Luft strömt.
Einatmen, ausatmen.
Deine Nähe suchend.
Menschgewordener Gott,
erbarme dich unser.
In der Stille bringen wir die Menschen,
an die wir denken,
ihre Namen und Gesichter, vor dich:
(Stille)
Menschgewordener Gott,
erbarme dich unser.
Du,
der du unsere Wahrheit bezeugst,
dich ehren wir.
Mit Jesu Worten beten wir: Vater unser…
Segen
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir + Frieden. Amen.
Mit herzlichen Grüßen, Ihre Pfarrerin Brigitte Schöne
Wenn Sie Fragen oder Anregungen zu diesem Gottesdienst haben, dürfen Sie uns gerne schreiben:
Informationen
Herzliche Einladung zum Tauffest am kommenden Sonnabend, 12. April um 11 Uhr.
Herzliche Einladung zum Gottesdienst am kommenden Sonntag, Palmsonntag, den 13. April 2025 um 10.00 Uhr mit Pfr. Martin Ost und Dorina Adelsberger (Orgel).
Die Gottesdienste über die Ostertage entnehmen Sie bitte dem Gemeindebrief (zu finden im Foyer von Kirche und Gemeindehaus).
Die Kollekte sammeln wir für das ökumenische Frauenzentrum Evas Arche e. V. in Berlin und für die Arbeit mit Kindern in unserer Gemeinde.
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