Psalm, Lieder, Gebete und Predigt von Pfarrer Oliver Matri
Biblischer Spruch für die Woche:
„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“
1. Johannes 5, 4c
Liebe Leserinnen und Leser,
„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“
So heißt es im Wochenspruch dieses Sonntags.
Ein starker Satz. Fast trotzig. Und voller Hoffnung.
Aber was heißt das – „die Welt überwinden“?
Geht es darum, sich abzusetzen von allem, was fremd, anders, weltlich ist?
Oder liegt der Sieg des Glaubens gerade darin,
Grenzen zu überschreiten,
Vertrauen zu fassen – selbst in dunklen Zeiten,
und Gottes Gegenwart zu entdecken – auch dort, wo wir sie nicht erwarten?
In den Bibeltexten des heutigen Sonntags hören wir Geschichten, die uns herausfordern:
Sie erzählen von Abgrenzung und vom Überwinden von Grenzen,
von Vertrauen – und von Gewalt.
Von Mut – und von Ambivalenz.
Von Frauen, die nicht dazugehören – und dennoch Teil von Gottes Geschichte werden.
Mitten in allem, was zwiespältig ist, bleibt die Einladung:
Zu glauben.
Zu hoffen.
Und offen zu sein für Gottes Wirken – jenseits aller Schranken.
Lied
Kommt herbei, singt dem Herrn (Singt Jubilate 140, 1-3)
1) Kommt herbei, singt dem Herrn,
ruft ihm zu, der uns befreit.
Kommt herbei, singt dem Herrn,
ruft ihm zu, der uns befreit.
Singend lasst uns vor ihn treten,
mehr als Worte sagt ein Lied.
Singend lasst uns vor ihn treten,
mehr als Worte sagt ein Lied.
2) Er ist Gott, Gott für uns,
er allein ist letzter Halt.
Er ist Gott, Gott für uns,
er allein ist letzter Halt.
Unsichtbar, doch gegenwärtig,
Höhen, Tiefen, sie sind sein.
Unsichtbar, doch gegenwärtig,
Höhen, Tiefen, sie sind sein.
3) Ja, er heißt: Gott für uns;
wir die Menschen, die er liebt.
Ja, er heißt: Gott für uns;
wir die Menschen, die er liebt.
Darum können wir ihm folgen,
können wir sein Wort verstehn.
Darum können wir ihm folgen,
können wir sein Wort verstehn.
Wir beten mit Worten aus Psalm 138.
Psalm 138
Ich danke dir von ganzem Herzen,
vor den Göttern will ich dir lobsingen.
Ich will anbeten zu deinem heiligen Tempel hin
und deinen Namen preisen für deine Güte und Treue;
denn du hast dein Wort herrlich gemacht
um deines Namens willen.
Wenn ich dich anrufe, so erhörst du mich
und gibst meiner Seele große Kraft.
Es danken dir, Herr, alle Könige auf Erden,
dass sie hören das Wort deines Mundes;
sie singen von den Wegen des Herrn,
dass die Herrlichkeit des Herrn so groß ist.
Denn der Herr ist hoch und sieht auf den Niedrigen
und kennt den Stolzen von ferne.
Wenn ich mitten in der Angst wandle,
so erquickst du mich
und reckst deine Hand gegen den Zorn meiner Feinde
und hilfst mir mit deiner Rechten.
Der Herr wird’s vollenden um meinetwillen.
Herr, deine Güte ist ewig.
Das Werk deiner Hände wollest du nicht lassen.
Gebet
Bitten wir Gott um sein Erbarmen.
Gott, du bist größer als unsere Vorstellungen.
Du wirkst, wo wir es nicht erwarten.
Du sprichst durch Menschen, die wir leicht übersehen.
Vergib uns, wenn wir vorschnell urteilen –
wenn wir Grenzen ziehen, wo du Offenheit willst.
Christus, du hast dich nicht gescheut, den Fremden zu begegnen.
Du bist auf Menschen zugegangen, die außen vor waren.
Du hast Glauben erkannt, wo andere nur Zweifel sahen.
Vergib uns, wenn wir deine Weite vergessen –
und festhalten an dem, was uns Sicherheit gibt.
Heiliger Geist, du machst Türen auf, wo Mauern stehen.
Du bringst uns zusammen über alle Unterschiede hinweg.
Vergib uns, wenn wir nicht hören wollen,
wenn wir lieber bleiben, wo alles vertraut ist.
Mach uns bereit, deine Spuren dort zu entdecken,
wo wir sie nie vermutet hätten.
Gott, erbarme dich.
Gnadenzuspruch
Mit Psalm 138 haben wir gebetet: „Wenn ich dich anrufe, so erhörst du mich und gibst meiner Seele große Kraft.“
Lasst uns Gott loben, der uns erhört und sich unser erbarmen will.
Gebet
Barmherziger Gott,
du bist größer, als wir uns vorstellen können.
Mach‘ unseren Verstand und unsere Herzen weit.
Lass uns wahrnehmen, wie du lebst und wirkst,
auch da, wo wir es nicht vermuten.
Für das Heil der Welt überschreitest Du Grenzen –
Lass‘ uns Dir dabei folgen.
Darum bitten wir dich im Namen deines Sohnes Jesus Christus,
der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben schafft,
jetzt und in Ewigkeit.
Amen.
Evangelium
Matthäus 15, 21–28
Und Jesus ging weg von dort und entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon. Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach, Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt. Er aber antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.
Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir! Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Sie sprach: Ja, Herr; aber doch essen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.
Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,
und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben. Amen.
Lied
Wo ein Mensch Vertrauen gibt (Singt Jubilate 178)
1) Wo ein Mensch Vertrauen gibt,
nicht nur an sich selber denkt,
fällt ein Tropfen von dem Regen,
der aus Wüsten Gärten macht.
2) Wo ein Mensch den andern sieht,
nicht nur sich und seine Welt,
fällt ein Tropfen von dem Regen,
der aus Wüsten Gärten macht.
3) Wo ein Mensch sich selbst verschenkt,
und den alten Weg verlässt,
fällt ein Tropfen von dem Regen,
der aus Wüsten Gärten macht.
Predigt
Der Predigttext für heute steht im Buch Josua, im 2. Kapitel (V. 1-21).
Josua aber, der Sohn Nuns, sandte von Schittim zwei Männer heimlich als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Die gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, die hieß Rahab, und kehrten dort ein. Da wurde dem König von Jericho angesagt: Siehe, es sind in dieser Nacht Männer von den Israeliten hereingekommen, um das Land zu erkunden. Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land zu erkunden. Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie. Und sie sprach: Ja, es sind Männer zu mir hereingekommen, aber ich wusste nicht, woher sie waren. Und als man das Stadttor schließen wollte, da es finster wurde, gingen die Männer hinaus, und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. Jagt ihnen eilends nach, dann werdet ihr sie ergreifen. Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt, die sie auf dem Dach ausgebreitet hatte. Die Verfolger aber jagten ihnen nach auf dem Wege zum Jordan bis an die Furten, und man schloss das Tor zu, als sie draußen waren.
Und ehe die Männer sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen hinauf auf das Dach und sprach zu ihnen: Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat; denn ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen, und alle Bewohner des Landes sind vor euch feige geworden. Denn wir haben gehört, wie der Herr das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat vor euch her, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordans getan habt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt. Und seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden. So schwört mir nun bei dem Herrn, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an meines Vaters Hause Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, dass ihr leben lasst meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was sie haben, und uns vom Tode errettet. Die Männer sprachen zu ihr: Tun wir nicht Barmherzigkeit und Treue an dir, wenn uns der Herr das Land gibt, so wollen wir selbst des Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.
Da ließ Rahab sie an einem Seil durchs Fenster hinab; denn ihr Haus war an der Stadtmauer, und sie wohnte an der Mauer. Und sie sprach zu ihnen: Geht auf das Gebirge, dass eure Verfolger euch nicht begegnen, und verbergt euch dort drei Tage, bis zurückkommen, die euch nachjagen; danach geht eures Weges. Die Männer aber sprachen zu ihr: So wollen wir den Eid einlösen, den du uns hast schwören lassen: Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herabgelassen hast, und zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus. So soll es sein: Wer zur Tür deines Hauses herausgeht, dessen Blut komme über sein Haupt, aber wir seien unschuldig; doch das Blut aller, die in deinem Hause bleiben, soll über unser Haupt kommen, wenn Hand an sie gelegt wird. Und wenn du etwas von dieser unserer Sache verrätst, so sind wir frei von dem Eid, den du uns hast schwören lassen. Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster.
Was für eine spannende Geschichte! Die Israeliten stehen kurz davor, ins gelobte Land einzuziehen. Das Problem ist nur: dort wohnen schon Menschen. Also werden Kundschafter ausgesandt. Sie kehren ausgerechnet bei einer Prostituierten ein, werden prompt entdeckt. Rahab aber ist listig und rettet sie, im Gegenzug für das Versprechen, dass sie und ihre Familie ebenso gerettet werden, wenn die Israeliten das Land einnehmen.
Es gibt zu diesem Text eine einfache und eine schwierige Predigt. Die einfache lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Es geht um den Glauben, der Grenzen überschreitet – das Thema des heutigen 17. Sonntags nach Trinitatis. Nicht nur beim Volk Israel findet sich dieser Glaube, sondern auch bei der Kanaanäerin Rahab, und bei der „kanaanäischen Frau“, der Jesus im Evangelium begegnet. Und so dürfen auch wir als Nicht-Israeliten zu den Glaubenden gehören. Und sind unsererseits eingeladen, Grenzen zu überschreiten und Glauben vorzufinden bei Menschen, bei denen wir ihn nicht vermutet hätten.
Soweit, so unbefriedigend: Solch eine Predigt würde den Ambivalenzen nicht gerecht, die im Josuabuch und in der Geschichte von Rahab stecken. Deshalb kommen wir heute um die schwierige Predigt nicht herum.
Hintergrund: Die Landnahme
Das Josuabuch erzählt, wie die Israeliten das gelobte Land einnehmen. Städte werden in Schutt und Asche gelegt. Völker werden vertrieben (um es milde auszudrücken). Das ist der Kontext der Rahab-Geschichte. Und mit diesem Kontext sind auch sofort die ganzen alten Fragen da: Wem gehört dieses Land? Wer darf hier sicher wohnen? Und auf welcher Seite kämpft Gott mit?
Noch im heutigen Staat Israel nutzen nationalistisch-jüdische Kreise diese Texte aus dem Josuabuch, um ihre Identitätspolitik zu legitimieren. Und anderswo auf der Welt wurden dieselben Texte im Kolonialismus verwendet, um die Eroberung und Unterdrückung anderer Länder zu rechtfertigen. Ein schweres Erbe. Wie damit umgehen – noch dazu am Sonntag nach dem 7. Oktober?
Die dominante Erzählung im Josuabuch
Das Gute an der Bibel ist: sie kann mit Ambivalenz umgehen, mit dem Zwiespältigen und Widersprüchlichen der Menschheit. Wir Christen – und vielleicht die meisten Menschen – tun uns damit oft schwer. Die Bibel hat damit kein Problem. Vor allem die hebräische Bibel, die wir „Altes Testament“ nennen.
Im Josuabuch spiegelt sich der Kontext, in dem das Buch entstand, so sagen es die Bibelforscher. Erzählt werden Ereignisse aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus – wie die Israeliten das Land einnahmen. Aber sie wurden besonders intensiv erzählt und aufgeschrieben im fünften Jahrhundert vor Christus, als das Volk Israel im Exil in Babylon lebte. Es war aus seinem Land vertrieben worden, von einem viel größeren und mächtigeren Volk. Von der Großmacht Babylon. Da träumten die Israeliten davon, wie es wohl war, als sie selbst in das Land einzogen, das Gott ihnen versprochen hatte. Wie sie es in Besitz nahmen und andere Völker von dort vertrieben. Mit der tatkräftigen Unterstützung ihres mächtigen Gottes. Traumabewältigung würden wir das heute nennen.
In diesem Kontext müssen wir wohl auch den schwierigsten Punkt aus dem Buch Josua sehen. Rahab hat auch schon davon gehört: „was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordans getan habt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt“. An den Völkern des Landes sollte „der Bann vollstreckt“ werden – alles Lebendige sollte ausgelöscht werden. Eine grausame Phantasie, alles Fremde auszulöschen. Damit man sich ja nicht kompromittiert. Damit man nicht vom Glauben an den einen Gott abfällt. [Deshalb heißt es, dass Josua die Kundschafter „von Schittim“ aus losschickt – in Schittim war es, dass die Israeliten sich mit fremden Frauen einließen, die sie zu ihren religiösen Festen einluden und zum Abfall vom Gott Israels verleiteten!]
Das ist die Erzählung, die im Buch Josua dominiert: Erobern, Töten. Weg mit allem Fremden.
Rahab als Gegenerzählung
Nur: Der Wirklichkeit im Exil in Babylon wurde das nicht gerecht. Die Israeliten lebten ja dort in einem fremden Land. Mitten unter Fremden aus vielen Ländern. Mitten unter verschiedenen Religionen. Einfach loswerden konnten sie die nicht. Und so schlimm waren die jetzt auch nicht… So fehlte etwas im Buch Josua:
Ein anderer Umgang mit Grenzen und Identität. Andere Formen, einander zu begegnen, sich auszutauschen, offen zu sein. Diese Fragen fehlten in der Erzählung, die im Josuabuch dominiert. Und die Geschichte von Rahab dreht sich um genau diese Fragen. Deshalb ist sie eine Gegen-Erzählung zum Narrativ vom Abgrenzen und Ermorden und Bann-Vollstrecken. Aber keine moralisch einwandfreie, naive Gegenerzählung – sondern ihrerseits voller Ambivalenzen, so wie die Wirklichkeit im Exil und vielleicht die Wirklichkeit heute.
Rahab – gläubig, gerecht und zugleich ambivalent
Die Kundschafter kommen also nach Jericho und haben keine Berührungsängste, sie kehren direkt bei einer Prostituierten ein. Der Name Rahab heißt in etwa „weit offen“. Eine Anspielung auf ihre Tätigkeit, ja, aber auch ihr Haus steht offen, zur Stadt hin und nach außen, mit dem Fenster in der Stadtmauer. Sie ist es, die offen ist auch für die fremden Kundschafter. Und für ihren Glauben, ihren Gott.
Als sich herausstellt, dass die Kundschafter entdeckt wurden – da macht Rahab einen Deal: ich rette euch Kundschafter, ihr rettet mich und meine Großfamilie. Leben gegen Leben. Listig und geschickt handelt sie, und zugleich eigennützig. Sie ist definitiv keine Aktivistin ihres Volkes – eher könnte man sie eine Verräterin nennen, aber das ist nicht der Punkt dieser Erzählung.
Der Punkt ist: Rahab sprengt die Phantasie, alles Fremde auslöschen zu wollen. Denn sie steht dafür, dass auch Menschen aus einem „fremden“ Volk barmherzig an anderen handeln können. Auch unter denen, die scheinbar Feinde sind, gibt es Gerechte.
Und: Auch Menschen aus diesem Volk können den wahren Gott erkennen. Auch unter denen, die man für fremd und andersgläubig hält, gibt es Menschen, die den eigenen Glauben besser formulieren können als man selbst. Bei solchen biblischen Geschichten steht das Wichtigste immer in der Mitte der Geschichte. Und in der Mitte steht hier das Glaubensbekenntnis von Rahab. Es gipfelt in den Worten: „der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden“. Also überall, Fremdheit hin oder her.
Rahab als Teil der Heilsgeschichte
Und so ist Rahab Teil von Gottes Heilsgeschichte geworden, trotz all ihrer Ambivalenz. Gottes Heil bricht sich Bahn und nutzt dafür nicht nur die Perfekten und Unanfechtbaren. Sondern besonders gerne auch die Unvollkommenen. Und: Gottes Heil überschreitet die Grenzen von Völkern und Zugehörigkeiten. So hat es Rahab bis in den Stammbaum Jesu geschafft, in den ersten Versen des Matthäusevangeliums. Die kanaanäische Prostituierte gehört zum Stammbaum des Messias. Was kann es für ein schöneres Zeichen geben, dass Gott mit menschlicher Ambivalenz umgehen kann. Dass Gott größer ist als Kategorien wie „fremd“ und „dazugehörig“. „Von hier“ und „nicht von hier“. „OK“ und „suspekt“.
Können wir ihm da folgen? Können wir als Kirche, als Gemeinde, so offen sein? Soziale und nationale und konfessionelle Grenzen überschreiten? Und Spuren von Gottes Gegenwart jenseits dieser Grenzen finden? Wir haben immer wieder konkret die Chance dazu, z.B. wenn Geflüchtete hier in der Gemeinde Aufnahme finden. Oder wenn wir mit Nachbargemeinden, aus der eigenen Kirche oder aus der Ökumene, Beziehungen knüpfen.
Aber verlieren wir dabei nicht unsere Identität? Entgrenzen wir uns nicht? Nein, sagt die Erzählung, denn bei Rahab gibt es trotzdem noch „innen“ und „außen“. Nur eine Grenze, die existiert, kann auch überschritten werden. Durchlässig gemacht werden. Es ist keine Beliebigkeit, in der irgendwie alles geht und alles gleichwertig ist. Da steckt ein Spannungsverhältnis drin, zwischen unserer Vielfalt – und dem einen Gott.
Es lohnt sich, dieses Spannungsverhältnis nicht aufzulösen: An dem einen Gott festzuhalten, und zugleich mutig die Grenzen zu überschreiten. Auch denen die Hand zu reichen, die mir fremd sind und unvertraut. Lassen Sie uns offen sein, als Menschen und als Gemeinde.
Lied
Gott liebt diese Welt (EG 409, 1-6)
1) Gott liebt diese Welt,
und wir sind sein Eigen.
Wohin er uns stellt,
sollen wir es zeigen:
Gott liebt diese Welt!
2) Gott liebt diese Welt.
Er rief sie ins Leben.
Gott ist’s, der erhält,
was er selbst gegeben.
Gott gehört die Welt!
3) Gott liebt diese Welt.
Feuerschein und Wolke
und das heilge Zelt
sagen seinem Volke:
Gott ist in der Welt!
4) Gott liebt diese Welt.
Ihre Dunkelheiten
hat er selbst erhellt:
im Zenit der Zeiten
kam sein Sohn zur Welt!
5) Gott liebt diese Welt.
Durch des Sohnes Sterben
hat er uns bestellt
zu des Reiches Erben.
Gott erneut die Welt!
6) Gott liebt diese Welt.
In den Todesbanden
keine Macht ihn hält,
Christus ist erstanden:
Leben für die Welt!
Fürbittengebet
(Quellen: Dr. Marie Hecke, Institut Kirche und Judentum; Evangelisches Gottesdienstbuch, S. 574)
Gott Israels und Vater Jesu Christi,
Gedenke mit uns der Opfer des 7. Oktober, ein Tag, der nicht vergehen will.
Klagend bringen wir vor dich die Toten und Verletzten, das Leid und die Traumata.
Und wir klagen dir das Elend und die Gewalt, den Hunger und die Hoffnungslosigkeit aller Unschuldigen, die im Gazastreifen und im Westjordanland unter den Folgen des Angriffes der Hamas leiden.
Wir bitten dich: tröste, stehe bei, schenke Schutz.
Lass‘ die Befreiung aller Geiseln und die Bemühungen um Frieden gelingen. Mach‘ ein Ende der Gewalt.
Herr, erbarme dich.
Gott Israels und Vater Jesu Christi,
klagend bringen wir vor dich alle Menschen, die als ethnische oder religiöse Minderheiten verfolgt werden: jüdische Menschen überall auf der Welt, Drusen in Syrien, Christen in vielen Ländern.
Wir bitten dich: Lass uns aufstehen gegen Hass. Lass uns sehen, was uns mit den vermeintlich Fremden verbindet, und lass uns auch anderen die Augen dafür öffnen.
Herr, erbarme dich.
Gott Israels und Vater Jesu Christi,
zuletzt bitten wir dich auch für uns selbst:
Lass uns nicht die alten Wege gehen,
lass uns nicht nur die bekannten Hände schütteln.
Wenn wir unsere Gemeinde bauen,
lass uns keine geschlossene Gesellschaft werden.
Halte unsere Türen offen.
Schenke uns Freude über unerwartete Begegnungen,
mache uns neugierig auf fremde Sichtweisen,
hilf uns, unbequeme Worte aufzunehmen.
Herr, erbarme dich.
Vater Unser
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.
Lied
Du hast uns, Herr, gerufen (EG 168, 4-6)
4) Wenn wir jetzt weitergehen, dann sind wir nicht allein.
Der Herr hat uns versprochen, bei uns zu sein.
5) Wir nehmen seine Worte und Taten mit nach Haus
Und richten unser Leben nach seinem aus.
6) Er hat mit seinem Leben gezeigt, was Liebe ist.
Bleib bei uns heut und morgen, Herr Jesu Christ.
Segen
Gott segne Dich und er behüte Dich.
Gott lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig.
Gott erhebe sein Angesicht auf Dich und gebe Dir Frieden. Amen.
Mit herzlichen Grüßen, Pfarrer Oliver Matri
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Informationen
Den nächsten Gottesdienst feiern wir am Sonntag, 19.10.2025, 10.00 Uhr, mit Prädikant Hans-Joachim Fentz und Sabine Erdmann an der Orgel.
Wir freuen uns auf das Konzert am heutigen Abend, 12.10.2025, um 18:00 Uhr von „Sax à la carte“ mit dem Programm „Bach trifft Gershwin“.
Kollektensammlung
Heute sammeln wir in den Reihen für das Gustav-Adolf-Werk und die Gossner Mission (je ½) und an der Kirchentür für die Kirchenmusik in unserer Gemeinde.
Spendenkonto: IBAN: DE34 5206 0410 1803 9663 99
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Kennwort: Kollekte 12.10.2025 (und gewünschter Verwendungszweck)
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